Sehschule
Lesedauer ca.
13
Min.

Weitsichtigkeit (Hyperopie)

Autoren
Dr. Jasmin Azem
Fachärztin für Augenheilkunde und Optometrie
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Was ist Weitsichtigkeit (Hyperopie)?

Weitsichtigkeit – medizinisch Hyperopie – bezeichnet eine Fehlsichtigkeit, bei der nahe Objekte verschwommen erscheinen, während entfernte Gegenstände klar erkannt werden. Ursache ist meist ein anatomisches Ungleichgewicht im Augapfel oder der Brechkraft der Linse, wodurch das Licht hinter der Netzhaut fokussiert wird, anstatt direkt darauf. Die Folge: Der Nahbereich ist unscharf, insbesondere bei längerer Konzentration oder schlechtem Licht.

Unterschied zwischen Weitsichtigkeit und Altersweitsichtigkeit (Presbyopie)

Obwohl beide zu verschwommenem Sehen in der Nähe führen, unterscheiden sich Weitsichtigkeit (Hyperopie) und Altersweitsichtigkeit (Presbyopie) grundlegend. Hyperopie ist meist angeboren und betrifft oft auch Kinder.

Presbyopie hingegen tritt altersbedingt ab etwa dem 40. Lebensjahr auf, weil die Elastizität der Augenlinse nachlässt. Während Hyperopie mit Linsen oder Operationen dauerhaft korrigiert werden kann, ist Presbyopie ein natürlicher Alterungsprozess.

Wie entsteht ein weitsichtiges Auge?

Die Ursache für Weitsichtigkeit liegt in der fehlerhaften Fokussierung von Lichtstrahlen im Auge. Normalerweise brechen Hornhaut und Linse das Licht so, dass es punktgenau auf die Netzhaut trifft.

Bei einem weitsichtigen Auge geschieht dies erst hinter der Netzhaut – entweder durch eine zu geringe Brechkraft oder einen zu kurzen Augapfel.

Brechkraftfehler vs. Achsenhyperopie

Bei einem Brechkraftfehler ist die Linse zu schwach gekrümmt, um das Licht richtig zu bündeln. Bei der Achsenhyperopie hingegen ist der Augapfel verkürzt – das Licht erreicht die Netzhaut zu früh. Beide Formen führen zum gleichen Effekt: Nahes erscheint verschwommen.

Genetische Faktoren und Risikogruppen

Hyperopie ist häufig genetisch bedingt. Kinder von weitsichtigen Eltern haben ein erhöhtes Risiko, ebenfalls betroffen zu sein. Weitere Risikogruppen umfassen Frühgeborene sowie Personen mit bestimmten genetischen Syndromen.

Eine frühzeitige Diagnose – besonders im Kindesalter – ist entscheidend, um Entwicklungsstörungen des Sehens (Amblyopie) zu vermeiden.

Symptome und erste Anzeichen

Typische Beschwerden bei Weitsichtigkeit

Menschen mit Weitsichtigkeit haben vor allem beim Lesen, Schreiben oder bei Bildschirmarbeit Schwierigkeiten. Das Sehen in der Nähe erfordert übermäßige Anstrengung, wodurch folgende Beschwerden auftreten können:

  • Verschwommenes Sehen im Nahbereich: Insbesondere beim Lesen verschwimmen Buchstaben, werden doppelt wahrgenommen oder scheinen zu „tanzen“.
  • Kopfschmerzen und Augenbrennen: Die ständige Anstrengung des Ziliarmuskels – der die Linse für Nahsehen anpasst – führt zu Spannungskopfschmerzen.
  • Schnelle Ermüdung der Augen: Längeres Arbeiten am Smartphone, Tablet oder PC wird unangenehm.
  • Lichtempfindlichkeit oder Augenreiben bei Kindern: Frühzeichen, die Eltern ernst nehmen sollten.

Je stärker die Hyperopie, desto ausgeprägter die Symptome. Leichte Formen bleiben oft unbemerkt – insbesondere bei Kindern, die die Linse stärker ausgleichen können.

Ab wann wird Weitsichtigkeit problematisch?

Solange die Linse flexibel genug ist, kann das Auge Weitsichtigkeit bis zu einem gewissen Grad selbst kompensieren. Problematisch wird es dann, wenn:

  • Symptome im Alltag stören, etwa in Schule oder Beruf.
  • Kinder schielen (Strabismus) – oft ein Hinweis auf starke unerkannte Hyperopie.
  • Lesen und Naharbeit dauerhaft unangenehm sind.
  • Kopfschmerzen nach kurzer Zeit auftreten.

Unbehandelte Hyperopie im Kindesalter kann zu einer Amblyopie führen – einem „trägen Auge“, das dauerhaft schlechter sieht, obwohl es organisch gesund ist.

Unterschiede bei Kindern und Erwachsenen

Kinder gleichen eine leichte Hyperopie meist unbewusst aus – durch automatische Akkommodation (Fokussierung). Symptome zeigen sich dann eher indirekt: Unlust beim Lesen, Konzentrationsprobleme, auffälliges Blinzeln.

Erwachsene hingegen spüren die Überlastung deutlicher und früher – vor allem bei fortgeschrittener Presbyopie (Altersweitsichtigkeit).

Frühdiagnose ist in beiden Fällen entscheidend – für Sehkomfort, Entwicklung und langfristige Augengesundheit.

Wie wird Weitsichtigkeit diagnostiziert?

Refraktionsmessung beim Augenarzt

Die wichtigste Methode zur Diagnose einer Weitsichtigkeit ist die sogenannte Refraktionsbestimmung. Dabei wird gemessen, wie stark das Auge das Licht bricht – und ob es korrekt auf die Netzhaut fokussiert.

Hierbei kommen autonome Refraktometer oder manuelle Verfahren zum Einsatz, bei denen verschiedene Glasstärken vor das Auge gehalten werden, um den besten Visuswert zu ermitteln.

Je nach Alter und Symptomen wird zusätzlich ein zykloplegischer Test durchgeführt: Durch spezielle Augentropfen wird die natürliche Akkommodation (Fokussierung) ausgeschaltet, um „versteckte“ Hyperopie zu erkennen – besonders wichtig bei Kindern.

Sehtest

Ein klassischer Visustest (z. B. mit Landolt-Ringen oder Buchstaben) zeigt, wie gut die betroffene Person auf Nähe und Ferne sieht. Dabei gilt:

  • Normalsichtige (Emmetrope): 100 % Sehleistung ohne Korrektur
  • Weitsichtige: Reduzierter Visus im Nahbereich, oft mit Kompensation durch Akkommodation
  • Relevanter Wert: Dioptrien (z. B. +2,5 dpt = mittlere Hyperopie)

Ergänzend prüft der Augenarzt das beidäugige Sehen, die Schielstellung sowie ggf. Augeninnendruck und Netzhautzustand – um andere Ursachen für Sehprobleme auszuschließen.

Rolle der Kinder- und Jugendvorsorge

Bei Kindern ist eine frühe Diagnose entscheidend – Weitsichtigkeit bleibt oft lange unbemerkt, da junge Augen sehr gut ausgleichen. Die wichtigsten Vorsorgeuntersuchungen:

  • U7a (ab 3 Jahre) – erste Sehtests beim Kinderarzt
  • Kindervorsorge beim Augenarzt (Frühscreening ab 2 Jahre bei Risikofaktoren)
  • Vorsorgeuntersuchungen bei Vorschulkindern (z. B. Kindergarten-Sehtest)

Ziel ist es, Schielen, Amblyopie und Lernprobleme durch unerkannte Fehlsichtigkeit zu vermeiden. Eine frühzeitige Brillenversorgung kann die visuelle Entwicklung langfristig sichern.

Behandlungsmöglichkeiten im Überblick

Brille bei Weitsichtigkeit

Die klassische und am häufigsten genutzte Korrektur bei Hyperopie ist die Brille mit Plusgläsern. Sie sorgt dafür, dass Lichtstrahlen bereits vor der Netzhaut gebündelt werden und der Brennpunkt exakt auf ihr liegt.

Einstärkengläser vs. Gleitsichtbrillen

  • Einstärkengläser korrigieren ausschließlich die Fern- oder Nahsicht und eignen sich bei reiner Hyperopie, besonders für Kinder und junge Erwachsene.
  • Gleitsichtbrillen kombinieren mehrere Sehbereiche und sind ideal für ältere Menschen mit gleichzeitiger Presbyopie (Altersweitsichtigkeit).

Die Wahl hängt vom Alter, Alltag und Sehverhalten ab. Für Bildschirmarbeit sind ggf. spezielle Bildschirmarbeitsplatzbrillen sinnvoll.

Kontaktlinsen: Arten & Eignung

Kontaktlinsen sind eine beliebte Alternative zur Brille – besonders für sportlich aktive oder beruflich stark visuell geforderte Personen.

Weiche vs. formstabile Linsen

  • Weiche Linsen sind angenehm zu tragen und für kurzfristigen Gebrauch geeignet.
  • Formstabile (harte) Linsen bieten eine schärfere Abbildung und bessere Langzeitverträglichkeit – sie sind ideal bei höherer Hyperopie.

Wichtig ist die Anpassung durch einen erfahrenen Optometristen oder Augenarzt – insbesondere bei Kindern und Jugendlichen.

Augenlasern (z. B. LASIK)

Moderne refraktive Chirurgie bietet dauerhafte Korrekturmöglichkeiten – vor allem bei mittlerer bis starker Hyperopie.

Voraussetzungen & Risiken

  • Voraussetzung: stabile Sehstärke, ausreichend dicke Hornhaut, Mindestalter ca. 18 Jahre
  • Risiken: Trockenes Auge, Blendempfindlichkeit, selten Über- oder Unterkorrektur

LASIK, Femto-LASIK oder LASEK sind erprobte Verfahren, bei denen die Hornhaut präzise modelliert wird, um die Lichtbrechung dauerhaft zu verbessern.

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